Foto Edgar Einemann Prof. Dr. Edgar Einemann

Broschüren für die Bremer Jusos (1979)

Für die Bremer Jungsozialisten habe ich zur Fundierung der politischen Diskussion eine Reihe von Papieren und Broschüren verfasst bzw. als Dokumentationen mit Eigenbeiträgen zusammengestellt, die nahezu alle in der Publikationsliste und im strukturierten Schriftenverzeichnis erwähnt sind. Aus heutiger Sicht (2013) verdienen zwei Produkte eine besondere Erläuterung:

1. Industrieansiedlung von Daimler-Benz in Bremen

Selbst bei früheren Aktivisten hält sich das Gerücht, die Jusos seinen 1979 mit meiner maßgeblichen Beteiligung gegen die Ansiedlung eines Werkes von Daimler-Benz in Bremen gewesen. Das ist völlig falsch. Bremen litt unter der Krise des Schiffbaus und hoher Arbeitslosigkeit, die Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten war von zentraler Bedeutung. Ich wusste das besonders gut, denn mein Vater und ein Onkel hatten nach dem Krieg beim Autobauer Borgward Arbeit gefunden, ein Onkel war auf der Werft AG Weser. Die Jusos waren für die Daimler-Ansiedlung, hatten aber Gestaltungsideen in Bezug auf den Standort des Werkes und die Qualität der Arbeitsplätze. Die Juso-Broschüre aus dem Jahr 1979 ist ein gutes Dokument fortschrittlicher Industrie-, Regional- und Arbeitspolitik. Der Chef der Senatskanzlei hat unsere Vorstellungen an den Daimler-Vorstand weitergeleitet und uns dann intern darüber informiert, dass der Konzern aus Kostengründen am Ausbau des vorhandenen Standorts (statt ganz neu zu bauen) und an der Fließbandarbeit festhalten wolle. Über große Investitionen entscheiden eben Konzerne und nicht Jusos.

2. Juso-Diskussion über die Gewerkschaften

Im Zuge der Diskussion mit der "Stamokap-Fraktion" bei den Jusos gab es 1979 auf Bundesebene eine Auseinandersetzung um die Rolle von Jusos (und Parteien) in den Gewerkschaften. Im Kern ging es darum, dass die Stamokap-Fraktion für die Arbeit der SDAJ, der Jugendorganisation der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), in den Gewerkschaften ein besonderes Verständnis aufgebracht und deutliche Positionsbestimmungen aus demokratisch-sozialistischer Sicht für falsch gehalten hat. Diese von vielen damals und später Prominenten geführte Debatte haben wir in einer Juso-Broschüre zur Gewerkschaftsdiskussion dokumentiert (leider fehlt eine Seite meines Beitrags, ein Druckfehler).

In der Broschüre befindet sich auch eine zitierfähige inhaltlichen Stellungnahme des damaligen Juso-Bundesvorsitzenden Gerhard Schröder, unter dessen Führung der Bundesvorstand seine Thesen zur Gewerkschaftsarbeit der Jusos gegen den erbitterten Widerstand der Stamokap-Fraktion beschlossen hat. Das alles hatte ein Nachspiel: Der in der Tradition der "Antirevisionisten" stehende "Göttinger Kreis", aus dem Schröder kam und der ihn im Bündnis mit den Stamokaps zum Vorsitzenden gewählt hatte, wollte ihn verstoßen. Gerd Schröder wurde als Mitherausgeber des publizistischen Organs des Göttinger Kreises (die Zeitschrift "Sozialist") abgesetzt. Dagegen hat sich Schröder in einem langen internen persönlichen Papier (so etwas gibt es tatsächlich!) vom 6. September 1979 massiv gewehrt und das Ansinnen als "dreist" (S. 10) zurückgewiesen.

Gerd Schröder formulierte u. a.: "Was die Stamokap-Position angeht, so habt Ihr übersehen, daß ich mich von Beginn der Diskussion an dafür eingesetzt habe, daß diese theoretische Position - jedenfalls in der inhaltlichen Ausrichtung, in der sie von Detlev Albers entwickelt wurde, zum Spektrum der Sozialdemokratie gehört." (S. 3). Ansonsten nahm er Peter von Oertzen gegen die Kritik von "Göttingern" und Stamokaps in Schutz, verwies auf die Fraktionsarbeit der DKP in den Gewerkschaften und die Richtigkeit der Vertretung der eigenen Juso-Positionen auch in den Gewerkschaften: "Wir haben den Versuch unternommen, eine Position zwischen einer sozialpartnerschaftlichen Linie einerseits und einer orthodox-kommunistischen Linie andererseits zu formulieren, die unseren demokratisch-sozialistischen Ansprüchen gerecht wird." (S. 10).

Am Schluss kam die Generalabrechnung: "Den Unsinn, den Ihr in Eurem offenen Brief zur Gewerkschaftsfrage geschrieben habt, auch noch marxistisch zu nennen, ist schon ein starker Tobak. Das gleiche gilt für Eure Bemerkungen zur Funktion des Staates sowie zu den Rahmenbedingungen der Politik der SPD. Wenn Ihr die 'marxistischen Kräfte bei den Jungsozialisten und in der Partei' seid, dann mag der Klassengegner beruhigt sein: die Revolution wird auf sich warten lassen." (S. 11).